Vorgehensweise bei Red/Blue Notices
1. Erste Schritte nach Feststellung einer Notice
- Wenn möglich und sinnvoll sofortige Kontaktaufnahme mit lokalen Behörden: Umgehende Kommunikation mit den zuständigen Behörden zur detaillierten Klärung des konkreten Festnahme- oder Befragungsgrundes, einschließlich der Erfragung aller relevanten Umstände und der rechtlichen Grundlage der Maßnahme
- Dokumentation: Sämtliche relevanten Unterlagen und Korrespondenz zur Notice systematisch erfassen und chronologisch archivieren, einschließlich behördlicher Schreiben, E-Mail-Kommunikation, Eingangs- und Ausgangsdokumente sowie sonstiger verfahrensrelevanter Materialien. Dabei ist besonders auf die vollständige und lückenlose Dokumentation aller Vorgänge zu achten, um eine optimale Nachvollziehbarkeit des Verfahrens zu gewährleisten
- Eilantrag bei INTERPOL/CCF: Bei akuter Gefährdung der Bewegungsfreiheit des Mandanten ist unverzüglich ein Eilantrag zu stellen, der die dringende Notwendigkeit einer schnellen Überprüfung der Notice darlegt. Dies ist besonders relevant bei drohenden Reisebeschränkungen, beruflichen Verpflichtungen im Ausland oder anderen zeitkritischen Situationen, die eine unmittelbare Behandlung des Falls erfordern
2. Antrag bei der CCF
- Formeller Antrag: Einreichung eines detaillierten und sorgfältig ausgearbeiteten Antrags auf Überprüfung der Notice bei der CCF, der alle formalen Anforderungen erfüllt und eine klare, strukturierte Darstellung des Sachverhalts sowie der rechtlichen Argumentation enthält. Der Antrag muss dabei sowohl die prozessualen Voraussetzungen beachten als auch inhaltlich überzeugend die Gründe für eine Überprüfung darlegen
- Begründung: Umfassende und detaillierte Darlegung der rechtlichen und faktischen Gründe, die gegen die Notice sprechen, einschließlich einer präzisen Analyse der Rechtsgrundlagen, der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme und möglicher Verfahrensfehler. Dabei sind insbesondere die spezifischen Umstände des Einzelfalls, die rechtliche Bewertung der zugrundeliegenden Vorwürfe sowie potenzielle Verstöße gegen INTERPOL-Richtlinien oder internationale Rechtsnormen herauszuarbeiten
- Beweismittel: Vorlage aller relevanten Dokumente und Nachweise zur substantiierten Widerlegung der Notice-Grundlage, einschließlich amtlicher Bescheinigungen, Gerichtsentscheidungen, Expertengutachten und sonstiger beweiskräftiger Unterlagen, die die rechtliche oder tatsächliche Unhaltbarkeit der Notice belegen können. Dabei ist besonders auf die Authentizität, Aktualität und Beweiskraft der eingereichten Dokumente zu achten
3. Parallele rechtliche Schritte
- Nationale Rechtsmittel: Umfassende Prüfung und Ausschöpfung aller verfügbaren Rechtsmittel im ausstellenden Staat, einschließlich der Einlegung von Widersprüchen, Beschwerden oder Klagen gegen den der Notice zugrundeliegenden Beschluss. Dabei sind insbesondere die nationalen Rechtswege und Verfahrensvorschriften zu beachten sowie die Erfolgsaussichten der jeweiligen Rechtsmittel sorgfältig abzuwägen
- Diplomatische Wege: Gegebenenfalls Einschaltung diplomatischer Vertretungen zur Unterstützung des Verfahrens, einschließlich der Kontaktaufnahme mit Botschaften und Konsulaten des Heimatlandes sowie der betroffenen Staaten. Dabei ist besonders auf die Einhaltung diplomatischer Protokolle und die angemessene Kommunikation über offizielle Kanäle zu achten. Die diplomatischen Vertretungen können wichtige Vermittler sein und durch ihre Expertise in internationalen Angelegenheiten zur Lösung beitragen
- Menschenrechtsorganisationen: Kontaktaufnahme mit spezialisierten Nichtregierungsorganisationen wie Fair Trials International, die sich auf die Überprüfung und Anfechtung von INTERPOL-Notices spezialisiert haben und über umfangreiche Erfahrung in der Unterstützung von Betroffenen verfügen. Diese Organisationen können wertvolle Expertise und zusätzliche Ressourcen zur Verfügung stellen sowie den Fall in einen breiteren menschenrechtlichen Kontext einordnen
4. Während des CCF-Verfahrens
- Regelmäßige Nachfragen: Aktive und systematische Verfolgung des Verfahrensstands bei der CCF durch regelmäßige schriftliche Anfragen zum Bearbeitungsfortschritt, zur Vollständigkeit der eingereichten Unterlagen und zu etwaigen zusätzlich erforderlichen Informationen. Dabei ist besonders auf die angemessene Frequenz der Nachfragen zu achten, um einerseits den Fortgang des Verfahrens zu überwachen und andererseits eine übermäßige Belastung der CCF zu vermeiden
- Ergänzende Stellungnahmen: Bei neuen Erkenntnissen oder relevanten Entwicklungen im Verfahren sind unverzüglich ergänzende Schriftsätze einzureichen, die diese neuen Aspekte detailliert darlegen und ihre Bedeutung für das laufende Verfahren erläutern. Dabei ist besonders auf die Relevanz der neuen Informationen für die rechtliche Bewertung des Falls und ihre potenzielle Auswirkung auf die Entscheidungsfindung der CCF zu achten
- Fristenüberwachung: Sorgfältige und systematische Überwachung aller prozessualer Fristen im CCF-Verfahren, einschließlich der Einreichungsfristen für Anträge, Stellungnahmen und ergänzende Dokumente, sowie der vorgegebenen Reaktionszeiten auf Anfragen der CCF. Dabei ist besonders auf die Einhaltung der oft kurzen Fristen für Nachreichungen und die rechtzeitige Vorbereitung aller erforderlichen Unterlagen zu achten
5. Präventive Maßnahmen
- Reiseempfehlungen: Umfassende Beratung des Mandanten bezüglich sicherer Reiserouten und -optionen, einschließlich detaillierter Analyse potenzieller Risikozonen, Transitländer und alternativer Reisewege. Dabei ist besonders auf die aktuelle Rechtslage in den jeweiligen Ländern und deren Umgang mit INTERPOL-Notices zu achten, um eine sichere und reibungslose Reisedurchführung zu gewährleisten
- Dokumentation: Sorgfältige Vorbereitung und Zusammenstellung relevanter Unterlagen für potenzielle weitere Grenzbefragungen, einschließlich beglaubigter Übersetzungen wichtiger Dokumente, Nachweise über laufende Verfahren und rechtliche Stellungnahmen. Diese Dokumentation sollte stets aktuell gehalten und in mehrfacher Ausfertigung verfügbar sein, um bei Bedarf schnell und angemessen reagieren zu können